Minette Blaufuss (Da VII 4)

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Minette Adeline Maximiliane Kunigunde Sofia Johanna Eckart, (*June 9, 1830, in Emskirchen, Germany, †January 25, 1901, in Brunnenreuth, Germany), married Konrad Blaufuss on October 28, 1852, in Emskirchen, Germany

Source Text Concerning Minette Blaufuss

Short biography about Minette, written down by her son Georg, from the Chronicle of the Eckart Family (FA-S346); compiled by Otto Eckart in 1927, part handwritten and part typed:

Minette, around 1866.

My mother was born on June 9, 1830, attended elementary school at the market town Emskirchen as did all her numerous siblings and was confirmed by the highly esteemed priest and later "Senior" (head priest) Cloetez. After leaving school, she at first stayed at home to help her mother with the inn. It was not long before she got acquainted with the school administrator Konrad Blaufuss, with whom she became betrothed as a 17-year-old girl and married five years later.

Die Revolution vom Jahre 1848 hatte die sittlichen Schäden im deutschen Volke aufgedeckt u. die kirchlichen Kreise Deutschlands suchten nun, angeregt durch den Candidaten der Theologie Heinrich Wichern von Hamburg, den Vater der inneren Mission, überall helfend und heilend einzugreifen. Die größte Sorgfalt wandte man nach dem Vorgange Wicherns der verwahrlosten Jugend zu. Am 5. Juni 1848 traten zu Riedenhausen in Unterfranken mehrere Geistliche u kirchlich interessierte Männer zu einem Verein zusammen u beschlossen eine Rettungsanstalt für verwahrloste Kinder zu gründen. Ein den Grafen von Kastell gehöriges Gehöfte, der Trautberg bei Kastell, wurde erworben u. zu einem Anstaltsgebäude umgebaut. Der Vorstand des Vereins, der Pfarrer Walter von Rüdenhausen, gewann meinen Vater, der damals Lehrer in Schwabach war, für die Stelle des Hausvaters. Nachdem er seine gute Schulstelle verlassen hatte, ging mein Vater ½ Jahr lang zu Wichern nach Hamburg um in dessen großen Erziehungsanstalt, dem Rauhen Haus, den Betrieb kennen zu lernen. Am 25. September 1850 trat er seinen Dienst als Hausvater u. Lehrer an. Zwei Jahre später führte er seine Verlobte, die sich vorher in der Erziehungsanstalt Herrnprechtingen [gemeint wahrscheinlich Herbrechtingen] in Würtemberg für den Hausmutterberuf vorbereitet hatte als Ehefrau heim.

Mein Vater war in dieser Anstalt alles: Hausvater, Lehrer u. Ökonom. Meiner Mutter lag die ganze Wirtschaft und die Erziehung der Mädchen ob. Unterstützt wurden sie von einigen Gehilfen u. Gehilfinnen. Es war ein Leben voll Mühe und Arbeit, voll Ärger u. Verdruß mit diesen meist recht verkommenen Knaben u. Mädchen. Dazu kam noch die beständige Sorge um die Unterhaltsmittel der Anstalt, da diese von freiwilligen Beiträgen lebte, so mußte beständig angeklopft u. gebeten werden. Auch diese Arbeit hatte meist mein Vater zu tun. Da meine Eltern in den besten Lebensjahren standen, so überstanden sie alle Schwierigkeiten leicht.

Auf dem Trautberg wurden die meisten Kinder geboren, nämlich: Johanna, Elise, Babette, Maria, Georg u. Hans.

Da mein Vater für die Sache der gesellschaftlich Verlorenen auch schriftstellerisch eintrat, so wurde er bald weithin bekannt u sein Urteil bei caritativen Neugründungen dieser Art häufig eingeholt. Der Johannisverein, der heute noch seine segensreiche Tätigkeit in der Fürsorge für entlassene Sträflinge ausübt, richtete in der Nähe von Trautberg zwei Anstalten für solche Unglückliche ein, eine auf dem Mutschenhofe für Söhne aus besseren Familien, die andere zu Atzhausen bei Kleinlangheim für Angehörige des Arbeitervolkes.

Meinungsverschiedenheiten mit der Verwaltung des Trautberger Hauses veranlaßten meinen Vater, die Stelle des Hausvaters niederzulegen u. die Leitung der Anstalt auf dem Mutschenhof, deren Inspektor er bereits war, zu übernehmen. Kurz nach dem Kriege von 1866, bis zu dem meine persönlichen Erinnerungen zurückreichen, zogen wir vom Trautberg nach dem 3 km entfernten Mutschenhof. Derselbe hatte als nächste Nachbarin die Mutschenmühle, die vom Grindleinsbach, der in der Nähe Kastells dem Boden entquillt, getrieben wird. Da der Mutschenmüller über den Mutschenhof fahren musste, wenn er auf die Straße kommen wollte so war damit der Grund zu mancherlei Zwistigkeiten gelegt. Hier gab es also neue Schwierigkeiten durch Geduld und [unleserlich] im Handeln zu überwinden: 1. die engen Wohnungsverhältnisse. 2. die Widerspenstigkeit der Zöglinge 3. die Feindseligkeiten des Müllers, die endlich durch ein Gerichtsverfahren ausgetragen wurden. Die Hauptlast, die Besorgung des sehr schwierigen Haushalts, lag wieder ganz auf den Schultern meiner Mutter. Der Vater erledigte den sehr umfangreichen Briefwechsel. Er saß fast den ganzen Tag in seiner Schreibstube. Wir Kinder gingen nach Rüdenhausen in die Schule, lernten aber nicht viel. Lesen, Schreiben, Rechnen und Katechismus waren die einzigen Unterrichtsgegenstände. Die bessere Ausbildung der Kinderschar, die sich auf dem Mutschenhof um zwei Mädchen vermehrte, um Luise, die schon nach einem Jahre starb und um Christine, legte meinen Eltern den Gedanken nahe, in die Nähe einer Stadt zu ziehen. Doch konnte derselbe nicht sogleich ausgeführt werden. Auf dem Mutschenhof bekamen wir alle Jahre Besuche von lieben Verwandten. Regelmäßig kam die Großmutter von Emskirchen herüber. Auch Onkel Johannes mit der schönen Tante Susanne kehrten ein, Onkel Christian aus Honolulu verweilte einige Tage bei uns, ebenso Onkel Max vor seiner Abreise nach den Hawai-Inseln.

Minette im Garten um 1885.

Hier erlebten wir auch die großen Ereignisse von 1870, an denen mein Vater den innigsten Anteil nahm. Ich erinnere mich noch wie einmal mein Vater ganz heiser von Kleinlangheim nach Hause kam. Auf die Frage der erschrockenen Mutter, was ihm fehle, sagte er ganz leise: Napoleon ist gefangen. So hatte er sich in der Begeisterung über das frohe Ereignis heiser geschrieen. Beim Friedensfest in Kleinlangheim mußte er, der ein Meister der Rede war, die Festrede halten. Ich erinnere mich noch des ersten Satzes: Hut ab vor dem deutschen Krieger! Es war eine Zeit großer Begeisterung und großer Hoffnungen. Oft hörte ich meinen Vater den Ausspruch tun: Jetzt werden es unsere Kinder besser bekommen. In der Erinnerung an jene große Zeit wird es einem jetzt weh ums Herz und klagend muss man mit dem Dichter ausrufen: Deutsches Volk, du herrlichstes von allen, deine Eichen stehen, du bist gefallen.

Der Wunsch, in die Nähe einer Stadt zu ziehen, ging kurz nach dem Friedensschluß in Erfüllung. Er kaufte ein Anwesen in Neuried bei München, den Neunerhof u. gedachte dort eine Erziehungsanstalt zu errichten. Es war ein Hof mit 40 Tagwerk Feld, einem Wohnhaus u. einem Ökonomiegebäude, zwei Pferden, 8 Kühen, Geflügel, Stallhasen und allem Inventar in gutem Zustande. Anfangs Oktober, mit dem billigeren Oktoberfestzuge kamen wir in München an u. wurden am Bahnhof von Onkel Schneider empfangen, der uns in seine Wohnung an der Rumfordstraße führte, wo wir alle bei der vorsorglichen Tante Jakobine übernachteten. Am anderen Tage machten wir erst Besuche bei Onkel Fritz u. Onkel Johannes, die damals nahe beieinander wohnten, dann gings nach Neuried. Es war eine kurze Freudenzeit, die wir hier verleben durften. Alles war uns neu und am erfreulichsten, daß die katholischen Neurieder nicht den geringsten Fanatismus gegenüber den eingewanderten Protestanten zeigten, ja uns sehr nachbarlich entgegen kamen.- Einige Wochen später kam mein Vater nach, krank. In der damals ungeheizten Bahn zog er sich eine Erkältung zu, die sich zur doppelseitigen Lungenentzündung entwickelte, an der er am 4. Dez 1871 starb. Er wurde von dem Münchner Pfarrer Wilhelm Rodde beerdigt, der nochmals sich als guten Freund der Familie bewährte.

Nach dem Ableben des Vaters begann für meine Mutter, die damals im 42. Lebensjahre stand, der eigentliche Lebenskampf. Ihre Lage war keineswegs beneidenswert: Ein verschuldetes Gut, keine Witwenpension, kein Bargeld, sieben unausgebildete Kinder, das 8. war auf dem Wege, eine ganz fremde Nachbarschaft. Was sie in der schweren Not aufrecht erhielt war ihr unerschütterliches Gottvertrauen. Gott kann u. muss u. wird helfen, das stand bei ihr fest; u. er half durch gute Menschen. Freunde des Vaters fanden sich ein, die leistungsfähigen Geschwister, Onkel Fritz u. Onkel Johannes standen ihr mit Rat u. hilfreicher Tat bei. Der starke Eckartsche Familiensinn zeigte sich hierbei in schönster Weise. Zunächst galt es für die Ausbildung der Kinder zu sorgen. Die Älteste, Johanna, konnte das Fernsemer‘sche Institut in Krumbach weiter besuchen, Elise die Frauenarbeitsschule, Babette, die schon vor dem Umzug bei Onkel Johannes wohnte, die Kunstschule, Maria wurde bei Onkel Schneider aufgenommen und ging noch in die Volksschule, Hans und ich kamen in das von Pfarrer Rodde gegründete evangelische Waisenhaus in der oberen Gartenstraße. Es würde zu weit führen, die Kämpfe dieser ausgezeichneten Frau um die Ausbildung ihrer Kinder im Einzelnen zu schildern; das gäbe ein eigenes Buch. So viel nur sei ausgesprochen: Sie erreichte, was ihr Herzenssache war, die Versorgung ihrer sämtlichen Kinder, bevor sie die Augen schloss.

Johanna, die mehrere Jahre Lehrerin war, heiratete den Lehrer Johann Fink, Elise, die langjährige treue Stütze der Mutter, verehelichte sich mit Otto Schilling, Babette mit dem Regierungsassesor Ernst Luthardt. Maria ging nach England und lebte dort als Erzieherin 22 Jahre fast immer in der gleichen Familie, Georg wurde Lehrer in München, Hans Pfarrer, später Religionsprofessor in Nürnberg, Max ebenfalls Pfarrer, jetzt in Sünna (Türingen), Tina heiratete den Postbeamten Hans Klein u. lebt jetzt als Witwe in München.

Im Jahre 1887 verkaufte die Mutter das Anwesen in Neuried, wohnte dann einige Jahre in Planegg, dann abwechslungsweise bei Hans in Feldkirchen und Langenau, bei Elise in Karlstein bei Reichenhall, bei mir nach dem Tode meiner Frau Augusta, zuletzt beim Jüngsten, bei Bruder Max, Pfarrvikar zu Brunnenreuth bei Ingolstadt. Hier durfte sie ihren siebenzigsten Geburtstag erleben. Er war wohl ihr letzter Freudentag. Alle ihre Kinder waren gekommen und ebenso ihre Geschwister Fritz u. Jette u. Base Reuter. In der Rede, die ich im Namen der Geschwister hielt, wurde die kindliche Dankbarkeit einer so tapferen Mutter gegenüber zum Ausdruck gebracht. Philipp Reuter, der gerade in Ingolstadt einer militärischen Übung oblag, kam heraus u. nahm mehrere Lichtbilder der fröhlichen Gesellschaft auf.

Minette im Kreis ihrer Familie an ihrem 70. Geburtstag im Juni 1900.

Anfang Januar 1901 bekam meine Mutter Atembeschwerden infolge Herzverfettung, am 25. Januar verschied sie sanft. Wir brachten ihre sterblichen Überreste nach Neuried, wo sie am 27. an der Seite ihres Mannes beigesetzt wurden. Es war ein rauher, stürmischer Tag. Alle Münchner Verwandten und fast alle Dorfbewohner fanden sich auf den kleinen Friedhof ein. Der Reiseprediger Wilhelm Rudel, jetzt Dekan in Würzburg, hielt die Grabrede u. segnete sie ein.

Mit ihr ist eine tapfere, aufopferungsfähige und menschenfreundliche Frau dahingegangen. Ihr Wesenskern war unerschütterliches Gottvertrauen, das sie in allen Lebenslagen aufrecht erhielt u. ihr alle Schwierigkeiten zu überwinden half. Ihr erzieherischer Einfluß auf ihre Kinder, mündlich oder brieflich ausgeübt, war groß. Ihr allein – nicht der Schule, nicht der Kirche – verdanken ihre Kinder ihre moralische Bildung. Mehr als Werte wirkte ihr Beispiel. Für ihre Kinder scheute sie keine Opfer, keinen schweren Gang, keine sauere Bitte. Trotz aller trüben Erfahrungen, die ihr nicht erspart blieben, setzte sich in ihrem Herzen nicht wie so oft geschieht Menschenverachtung und Neid fest. Ihren Mitmenschen gegenüber war sie immer freundlich und hilfreich, sie freute sich mit den Fröhlichen und weinte mit den Betrübten. Ihr starker moralischer Sinn schärfte ihr das Auge für die Aufdeckung aller Heuchelei. Oft warnte sie den Vater vor falschen „Brüdern“, die mit dem Mantel der Frömmigkeit umgehängt, sich an ihn heranmachten u. hätte mein Vater den Rat seiner Frau immer befolgt, er hätte sich vor vielen Enttäuschungen bewahrt. Ihre Dankbarkeit gegen alle die, die ihr in der Zeit der Not geholfen hatten, war groß. Mit inniger Liebe hing sie an allen ihren Geschwistern. Durch einen ausgedehnten Briefwechsel blieb sie ihren Kindern, Geschwistern, Freunden und Freundinnen in ständigem Verkehr. Ihre Briefe wurden von jedermann gern gelesen; denn sie waren einfach, gefühlswarm und innig.

Am 8. April 1923 Gg [Georg] Blaufuß[1]

Einzelnachweise

  1. Familienarchiv Eckart, FA-S346 Chronik der Familie Eckart, zusammengestellt von Otto Eckart, Transkript.