Henriette Eckart (Da VII 1): Unterschied zwischen den Versionen

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''Nach dem Tode ihrer Mutter kam sie zu Onkel Philipp Wich, Bruder ihrer Mutter, nach Nieder-Altenburg, als Hilfe, Stütze und liebe Gesellschafterin und Vertraute der Familie. Ihre unbedingte Zuverlässigkeit und ihre selbstlose Hingabe an alles, was ihr anvertraut wurde, veranlassten meinen Vater, sie während der Beerenzeit mehrere Jahre lang in waldreiche Gegenden zum Einkauf von Beeren zu schicken. Meistens wurden ihr dann einige Kinder mitgegeben und diese Sommerfrische in Wanstein, Zwiesel, Holzkirchen zählen mit zu unseren schönsten Kindheitserinnerungen. Selbst ein Beispiel von einer geradezu rührenden Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit verbunden mit einem vorbildlichen Pflichtgefühl, wusste sie auch uns Kinder in Zucht zu halten und zur Bescheidenheit zu erziehen. Ihr Schmieren der Butterbrote ist sprichwörtlich geworden in der Familie. Sie, deren fleissige Hände nie ruhten, die all ihre Lieben trotz ihrer stets angestrengten Tätigkeit mit den schönsten Handarbeiten, besonders mit kunstvollen Stickereien bedachte, sorgte auch, dass die ihrer Obhut anvertrauten Kinder fleissig die Hände rührten. Zahlreichen Nichten hat sie mit gütiger Geduld Stricken, Nähen und Sticken gelehrt. Dabei wusste sie so hübsch zu erzählen, Märchen sowohl als Geschichten aus ihrer Kindheit. Für uns war es immer eine grosse Freude, wenn Tante Jette von Altenburg her zu uns zu Besuch kam mit ihrem unverwüstlichen selbst verfertigten Reisesack, der mit Perlen gestickt die Inschrift trug „Bon voyage“, und der ihr von uns Kindern fast aus der Hand gerissen wurde, denn wir wussten, dass er für jedes von uns etwas enthielt. Die Gute, die für sich selbst so unendlich anspruchslos war, hatte die grösste Freude, andere zu beschenken, soweit ihre bescheidenen Mittel es erlaubten. Und wenn es auch nur eine Kirchweihnudel oder ein in Wolle gestricktes Geldbeutelchen war, vergessen wurde niemand.''
''Nach dem Tode ihrer Mutter kam sie zu Onkel Philipp Wich, Bruder ihrer Mutter, nach Nieder-Altenburg, als Hilfe, Stütze und liebe Gesellschafterin und Vertraute der Familie. Ihre unbedingte Zuverlässigkeit und ihre selbstlose Hingabe an alles, was ihr anvertraut wurde, veranlassten meinen Vater, sie während der Beerenzeit mehrere Jahre lang in waldreiche Gegenden zum Einkauf von Beeren zu schicken. Meistens wurden ihr dann einige Kinder mitgegeben und diese Sommerfrische in Wanstein, Zwiesel, Holzkirchen zählen mit zu unseren schönsten Kindheitserinnerungen. Selbst ein Beispiel von einer geradezu rührenden Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit verbunden mit einem vorbildlichen Pflichtgefühl, wusste sie auch uns Kinder in Zucht zu halten und zur Bescheidenheit zu erziehen. Ihr Schmieren der Butterbrote ist sprichwörtlich geworden in der Familie. Sie, deren fleissige Hände nie ruhten, die all ihre Lieben trotz ihrer stets angestrengten Tätigkeit mit den schönsten Handarbeiten, besonders mit kunstvollen Stickereien bedachte, sorgte auch, dass die ihrer Obhut anvertrauten Kinder fleissig die Hände rührten. Zahlreichen Nichten hat sie mit gütiger Geduld Stricken, Nähen und Sticken gelehrt. Dabei wusste sie so hübsch zu erzählen, Märchen sowohl als Geschichten aus ihrer Kindheit. Für uns war es immer eine grosse Freude, wenn Tante Jette von Altenburg her zu uns zu Besuch kam mit ihrem unverwüstlichen selbst verfertigten Reisesack, der mit Perlen gestickt die Inschrift trug „Bon voyage“, und der ihr von uns Kindern fast aus der Hand gerissen wurde, denn wir wussten, dass er für jedes von uns etwas enthielt. Die Gute, die für sich selbst so unendlich anspruchslos war, hatte die grösste Freude, andere zu beschenken, soweit ihre bescheidenen Mittel es erlaubten. Und wenn es auch nur eine Kirchweihnudel oder ein in Wolle gestricktes Geldbeutelchen war, vergessen wurde niemand.''


[[Datei:Da VII 1 F02836 Jette Eckart 1892ca.jpg|300px|thumb|right|Tante Jette um 1892.]]
[[Datei:Da VII 1 F02836 Jette Eckart 1892ca.jpg|300px|thumb|right|"Tante Jette" um 1892.]]
''Nachdem auch Onkel Philipp, dem sie nach dem erfolgten Tod seiner Frau weiter den Haushalt führte, gestorben war übersiedelte sie von Altenburg nach Nürnberg zu dessen Tochter, ihrem lieben Patenkinde Henriette Reuter, die nach dem Tode ihres Mannes dort ein Tee- und Kaffeegeschäft betrieb, um dem Hauswesen vorzustehen und die unmündigen Kinder zu versorgen. Dieses Geschäft konnte nicht hochkommen und wurde nach kurzem Bestand wieder aufgegeben. Jette Reuter, die ihre Kinder teils in Schulen, teils in Lehren untergebracht hatte, kam zuerst nach Niederaltenburg, wo sie eine Pension führte, dann zur Führung des Haushaltes zu Onkel Fritz nach München, Tante Jette kam zu uns, wo sie bis zu ihrem Tode blieb. Während dieser Jahre haben wir heranwachsenden Kinder sie noch ganz besonders schätzen und lieben gelernt. Ihr feiner, nie versagender Takt, ihre durch und durch vornehme Gesinnung, ihr seltener Verstand und ihre Güte schufen ihr überall Freunde und ihre Stube mit den traulichen, von ihrer Mutter ererbten Biedermeider-Möbeln war oft voll von Besuchen. Als die Vertraute von so vielen Familienmitgliedern hat sie zahlreiche Menschenschicksale geschaut, ist die einfachen wie die verworrensten Wege in liebevoller Teilnahme mit ihnen gegangen, dass ihr nichts Menschliches fremd war. Sie, die unvermählt geblieben, hatte Verständnis, Rat und Trost für jedes Leid. Ihr eigentlich unschönes Gesicht, das durch einen Schnurrbart noch besonders entstellt wurde, gewann allgemeine Sympathie durch den Ausdruck von grosser Intelligenz und Güte. Ohne viel Worte zu machen – denn nach Art der Eckarts lag ihr das nicht – fand sie stets die richtige Art Trost zu spenden und jeder, der ein schweres Herz ihr leerte, ging ruhiger von ihr. Wem ihre lieben schönen Hände in fast scheuer Weise – denn auch äussere Zärtlichkeitsbezeugungen waren ihrer herb-jungfräulichen Art nicht gelegen – über den Kopf strichen, der war sich so viel treuer teilnahmsvoller Liebe bewusst, dass er sich am richtigen Platze fand. Rückblickend bewundere ich heute das Verständnis, das die Hochbetagte der damals in den Kinderschuhen sich befindlichen Frauenbewegung entgegenbrachte, die bei bedeutend jüngeren Personen auf den stärkeren Widerstand gestossen und für deren Entwicklung die Siebzigerin die innigsten Wünsche hegte.''
''Nachdem auch Onkel Philipp, dem sie nach dem erfolgten Tod seiner Frau weiter den Haushalt führte, gestorben war übersiedelte sie von Altenburg nach Nürnberg zu dessen Tochter, ihrem lieben Patenkinde Henriette Reuter, die nach dem Tode ihres Mannes dort ein Tee- und Kaffeegeschäft betrieb, um dem Hauswesen vorzustehen und die unmündigen Kinder zu versorgen. Dieses Geschäft konnte nicht hochkommen und wurde nach kurzem Bestand wieder aufgegeben. Jette Reuter, die ihre Kinder teils in Schulen, teils in Lehren untergebracht hatte, kam zuerst nach Niederaltenburg, wo sie eine Pension führte, dann zur Führung des Haushaltes zu Onkel Fritz nach München, Tante Jette kam zu uns, wo sie bis zu ihrem Tode blieb. Während dieser Jahre haben wir heranwachsenden Kinder sie noch ganz besonders schätzen und lieben gelernt. Ihr feiner, nie versagender Takt, ihre durch und durch vornehme Gesinnung, ihr seltener Verstand und ihre Güte schufen ihr überall Freunde und ihre Stube mit den traulichen, von ihrer Mutter ererbten Biedermeider-Möbeln war oft voll von Besuchen. Als die Vertraute von so vielen Familienmitgliedern hat sie zahlreiche Menschenschicksale geschaut, ist die einfachen wie die verworrensten Wege in liebevoller Teilnahme mit ihnen gegangen, dass ihr nichts Menschliches fremd war. Sie, die unvermählt geblieben, hatte Verständnis, Rat und Trost für jedes Leid. Ihr eigentlich unschönes Gesicht, das durch einen Schnurrbart noch besonders entstellt wurde, gewann allgemeine Sympathie durch den Ausdruck von grosser Intelligenz und Güte. Ohne viel Worte zu machen – denn nach Art der Eckarts lag ihr das nicht – fand sie stets die richtige Art Trost zu spenden und jeder, der ein schweres Herz ihr leerte, ging ruhiger von ihr. Wem ihre lieben schönen Hände in fast scheuer Weise – denn auch äussere Zärtlichkeitsbezeugungen waren ihrer herb-jungfräulichen Art nicht gelegen – über den Kopf strichen, der war sich so viel treuer teilnahmsvoller Liebe bewusst, dass er sich am richtigen Platze fand. Rückblickend bewundere ich heute das Verständnis, das die Hochbetagte der damals in den Kinderschuhen sich befindlichen Frauenbewegung entgegenbrachte, die bei bedeutend jüngeren Personen auf den stärkeren Widerstand gestossen und für deren Entwicklung die Siebzigerin die innigsten Wünsche hegte.''



Version vom 11. März 2021, 14:47 Uhr

Henriette Christine Johanna Caroline Kunigunda Barbara Eckart, (Da VII 1), (* 27.04.1826 in Emskirchen, † 15.01.1902 in München).

Kurzbiographie zu Henriette aus der Chronik der Familie Eckart (FA-S346), 1927 zusammengestellt von Otto Eckart, teils handschriftlich, teils maschinengeschrieben.

Henriette mit etwa 30 Jahren.

"Tante Jette“ widmete von frühester Jugend an das Leben der treusten Fürsorge für andere. Wie sie, die Aelteste, ihre elf jüngeren Geschwister liebevoll betreute, ihrer geliebten Mutter sie zu deren Lebensende stets helfend und selbstlos zur Seite stand, so war auch ihr späteres Leben nur der liebevollen Sorge ihrer weiteren Familie geweiht. Wo immer in der Familie eine zuverlässige Person benötigt wurde, wurde „Tante Jette“ gerufen. Niemand war so selbstlos, gütig und aufopfernd in der Kranken-, Kinder- und Wochenpflege.

Nach dem Tode ihrer Mutter kam sie zu Onkel Philipp Wich, Bruder ihrer Mutter, nach Nieder-Altenburg, als Hilfe, Stütze und liebe Gesellschafterin und Vertraute der Familie. Ihre unbedingte Zuverlässigkeit und ihre selbstlose Hingabe an alles, was ihr anvertraut wurde, veranlassten meinen Vater, sie während der Beerenzeit mehrere Jahre lang in waldreiche Gegenden zum Einkauf von Beeren zu schicken. Meistens wurden ihr dann einige Kinder mitgegeben und diese Sommerfrische in Wanstein, Zwiesel, Holzkirchen zählen mit zu unseren schönsten Kindheitserinnerungen. Selbst ein Beispiel von einer geradezu rührenden Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit verbunden mit einem vorbildlichen Pflichtgefühl, wusste sie auch uns Kinder in Zucht zu halten und zur Bescheidenheit zu erziehen. Ihr Schmieren der Butterbrote ist sprichwörtlich geworden in der Familie. Sie, deren fleissige Hände nie ruhten, die all ihre Lieben trotz ihrer stets angestrengten Tätigkeit mit den schönsten Handarbeiten, besonders mit kunstvollen Stickereien bedachte, sorgte auch, dass die ihrer Obhut anvertrauten Kinder fleissig die Hände rührten. Zahlreichen Nichten hat sie mit gütiger Geduld Stricken, Nähen und Sticken gelehrt. Dabei wusste sie so hübsch zu erzählen, Märchen sowohl als Geschichten aus ihrer Kindheit. Für uns war es immer eine grosse Freude, wenn Tante Jette von Altenburg her zu uns zu Besuch kam mit ihrem unverwüstlichen selbst verfertigten Reisesack, der mit Perlen gestickt die Inschrift trug „Bon voyage“, und der ihr von uns Kindern fast aus der Hand gerissen wurde, denn wir wussten, dass er für jedes von uns etwas enthielt. Die Gute, die für sich selbst so unendlich anspruchslos war, hatte die grösste Freude, andere zu beschenken, soweit ihre bescheidenen Mittel es erlaubten. Und wenn es auch nur eine Kirchweihnudel oder ein in Wolle gestricktes Geldbeutelchen war, vergessen wurde niemand.

"Tante Jette" um 1892.

Nachdem auch Onkel Philipp, dem sie nach dem erfolgten Tod seiner Frau weiter den Haushalt führte, gestorben war übersiedelte sie von Altenburg nach Nürnberg zu dessen Tochter, ihrem lieben Patenkinde Henriette Reuter, die nach dem Tode ihres Mannes dort ein Tee- und Kaffeegeschäft betrieb, um dem Hauswesen vorzustehen und die unmündigen Kinder zu versorgen. Dieses Geschäft konnte nicht hochkommen und wurde nach kurzem Bestand wieder aufgegeben. Jette Reuter, die ihre Kinder teils in Schulen, teils in Lehren untergebracht hatte, kam zuerst nach Niederaltenburg, wo sie eine Pension führte, dann zur Führung des Haushaltes zu Onkel Fritz nach München, Tante Jette kam zu uns, wo sie bis zu ihrem Tode blieb. Während dieser Jahre haben wir heranwachsenden Kinder sie noch ganz besonders schätzen und lieben gelernt. Ihr feiner, nie versagender Takt, ihre durch und durch vornehme Gesinnung, ihr seltener Verstand und ihre Güte schufen ihr überall Freunde und ihre Stube mit den traulichen, von ihrer Mutter ererbten Biedermeider-Möbeln war oft voll von Besuchen. Als die Vertraute von so vielen Familienmitgliedern hat sie zahlreiche Menschenschicksale geschaut, ist die einfachen wie die verworrensten Wege in liebevoller Teilnahme mit ihnen gegangen, dass ihr nichts Menschliches fremd war. Sie, die unvermählt geblieben, hatte Verständnis, Rat und Trost für jedes Leid. Ihr eigentlich unschönes Gesicht, das durch einen Schnurrbart noch besonders entstellt wurde, gewann allgemeine Sympathie durch den Ausdruck von grosser Intelligenz und Güte. Ohne viel Worte zu machen – denn nach Art der Eckarts lag ihr das nicht – fand sie stets die richtige Art Trost zu spenden und jeder, der ein schweres Herz ihr leerte, ging ruhiger von ihr. Wem ihre lieben schönen Hände in fast scheuer Weise – denn auch äussere Zärtlichkeitsbezeugungen waren ihrer herb-jungfräulichen Art nicht gelegen – über den Kopf strichen, der war sich so viel treuer teilnahmsvoller Liebe bewusst, dass er sich am richtigen Platze fand. Rückblickend bewundere ich heute das Verständnis, das die Hochbetagte der damals in den Kinderschuhen sich befindlichen Frauenbewegung entgegenbrachte, die bei bedeutend jüngeren Personen auf den stärkeren Widerstand gestossen und für deren Entwicklung die Siebzigerin die innigsten Wünsche hegte.

Der Tod ihres geliebten Bruders, meines Vaters, hat sie aufs tiefste erschüttert. Ich sehe sie noch in der Sterbestunde an seinem Bette sitzend, unfähig eine Träne weinen zu können, immer wieder die erkalteten Hände fassend und dann in der trüben Stunde des heranbrechenden Novembermorgens von ihm erzählend, Geschichten aus seiner frühesten Kindheit, die wir noch nichts wussten und die auch ihr wohl erst nach langen Jahren angesichts seines Todes wieder eingefallen sein mögen. Ausser ihm musste sie noch den Tod zweier geliebter Schwestern, Tante Jakobine Schneider, gestorben am 11.1.1900 und Tante Henriette Blaufuss, gestorben 25.1.1901 beweinen. Der Gottesglaube, ohne jede Spur von Bigotterie und ihre Ergebenheit in Gottes Willen, machten sie stark genug diese Verluste zu ertragen, bis sie selbst am 15.1.1902 ihre treuen Augen für immer schloss, tief betrauert von allen, die ihr nahe gestanden.

Sie war eine starke Persönlichkeit und zugleich ein Muster aufopfernder Selbsthingabe, wenn das Interesse ihrer über alles geliebten Familie es erheischte. Ich musste, als ich ihre toten Hände aus den meinen löste, an den Vers denken, den sie mir ins Album geschrieben und der sich bei ihr bewahrheitete:

Da du einst geboren warst aus Liebe
Weinest du, es freuten sich die Deinen
Lebe so, dass, wenn Dein Auge bricht,
Du dich freust, die Deinen aber weinen.

Geschrieben zu Tante Jettes Gedenken von Hedwig Helms, geb. Eckart

Sie ist begraben auf dem alten südl. Friedhofe in München in der Grabstätte ihres Bruders Friedrich Eckart."